PS5-Kind trifft auf Atari 2600 Plus: »Digga, das soll ein Auto sein?«

Die Mutter aller Konsolen hat ein Baby bekommen: Wir testen, ob das neue Retrospielzeug als Familienspaß taugt – und ob es ergraute Supernerds wegen ein paar Macken enttäuscht.

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Als Charaktere in Spielen noch Ecken und Kanten hatten, weil die Technik nicht mehr hergab, konnte man sich nie sicher sein, ob der Held gerade von einem Monster, Legostein oder einer Niere angegriffen wird.

Wer wie ich mit dem Atari Video Computer System (VCS) aufwuchs, das später in Atari 2600 umbenannt wurde, pflegte das aus einer Maximalauflösung von 160 x 192 Pixeln resultierende optische Vakuum einfach mit viel Phantasie zu füllen. Zerebrale Kantenglättung heißt diese heute in Vergessenheit geratene Technik.

Jetzt ist die Neuinterpretation der genannten Ikone da. Taugt das Gerät mit der Modellkennung 2600+ für Menschen, die in Nostalgie baden wollen, nachdem ihre Originalkonsole irgendwann mal im Müll landete?

Macht sie auch Supernerds wie mich glücklich, die sich bis heute olle Kamellen reinpfeifen und obendrein regelmäßig neu erschienene Spiele für eine Konsole importieren, in der Technik aus dem Jahr 1977 steckt?


Der Autor und sein Sidekick: Harald Fränkel, seit über 25 Jahren als Journalist tätig, hat schon gelebt, als es das Wort »Farbfernseher« noch gab. Er ist so alt, dass er Netflix-Filme zurückspult – aus Angst vor Strafgebühren. Als Kind sahen seine Haare aus, als hätte Mireille Mathieu mit Prinz Eisenherz geschnackselt. Damit war er der perfekte Kandidat für den Test des Atari 2600+, der Neuauflage einer Steinzeitkonsole! Um einen Fanboy-Artikel zu verhindern, fungierte sein Sohn als neutraler Beobachter und Co-Kommentator. Das Foto entstand einen Tag vor dem Release des 2600+. Der Filius wurde mit den Worten »Du darfst die neueste Konsole ausprobieren, die ist so neu, dass sie erst morgen erscheint!« ins Büro gelockt. Dann packte Fränkel Junior, aufgeregt »PS6« flüsternd, das Gerät aus. D'oh!

Es wäre mir peinlich zuzugeben, dass ich mir sogar einen Sprachsynthesizer für mein Atari 2600 gekauft habe, damit das Shoot ’em up Gorf Arcade klingt wie einst in der Spielhalle, aber ich habe mir sogar einen Sprachsynthesizer gekauft, damit Gorf Arcade so klingt wie Gorf in der Spielhalle.

Last not least beantworte ich in diesem Artikel die Frage, ob die moderne Version eines Steinzeitspielzeugs auch Kinder der Generation PlayStation 5 unterhält. So als Vater-Sohn-Ding quasi.

Weil ich mir einen Luke halte, den ich so genannt habe, um ab und zu einen billigen Gag raushauen zu können (»Ich bin dein Vater! Schnauf!«), musste ich mir nicht mal ein Labortier Versuchskind leihen, das mich danach vielleicht verklagt.

»Wozu ist das?« »Das ist weißes Licht.« »Und was macht es?« »Es zeigt an, dass die Stromversorgung funktioniert und sieht dabei sehr nice aus.« »Wozu ist das?«/ »Das ist weißes Licht.« / »Und was macht es?« / »Es zeigt an, dass die Stromversorgung funktioniert und sieht dabei sehr nice aus.«

Ich zählte elf Jahre, als ich ein Atari 2600 bekam, was zufälliger- und passenderweise genau dem heutigen Alter meines Sohnes entspricht. Seine Aufgabe im Rahmen dieses Artikels bestand darin, sich die mitgelieferten Spiele anzuschauen, damit auch jemand ohne rosa Brille von Nostalfielmann zu Wort kommt.

Ein Hauch von Fluxkompensator

Beim Atari 2600+ handelt es sich tatsächlich um eine Baby-Konsole, da sie 20 Prozent kleiner ausfällt als das Vorbild. Das spart Platz. Außerdem vermittelt das Gehäuse dadurch eine gewisse Knuffigkeit. Trotz des ersten »Lieber Gott, sie haben die Konsole geschrumpft!«-Schocks, den Originalliebhaber vielleicht empfinden, kommt visuell enorm viel 70-er-Jahre-Nostalgie auf.

Zum einen, weil Atari die »Woodgrain«-Version mit der Holzimitatblende an der Vorderseite umgesetzt hat. Das ab 1983 verkaufte, tiefschwarze, umgangssprachlich als »Darth Vader« bezeichnete Modell hat deutlich weniger Fans. Und ehe ich ein Atari 2600 »Junior« von 1984 länger als 60 Sekunden anschaue, reibe ich mir lieber Chili in die Augen.
  
Ich könnte nun von einer extraordinär retroesken, haptischen und auditiven Affektivität schwurbeln, um gebildet zu wirken, schreibe es aber lieber auf Deutsch: Das Atari 2600+ sieht nicht nur nach alter Schule aus, es fühlt und hört sich auch so an. Wer eines der Module einsteckt, wunderbarerweise funktionieren fast alle alten Spiele, vernimmt das typische Klacken beim Einrasten, das manchmal klingt, als würde gerade etwas kaputtgehen.

Dabei streift vielleicht ein Finger erregt über die geriffelte Fläche der Konsolenoberseite, wo sich früher so gerne Staub eingenistet hat. Betätige ich mit geschlossenen Augen den Anschalthebel, katapultiert mich die von einem lauten Klicken begleitete Mechanik flugs flux wie Marty McFly in die Vergangenheit.

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