Seit Ende Februar 2024 läuft eine mehr oder weniger koordinierte Kampagne gegen das Beratungsunternehmen Sweet Baby Inc., das Spielefirmen bei der Gestaltung ihrer Figuren und Geschichten unterstützt. Diese Firma sei DAS Symbol einer angeblich überbordenden politischen Korrektheit, die die Videospielindustrie fest im Würgegriff hält.
Auf dem Discord-Server, wo sich diejenigen versammeln, die gegen Sweet Baby Inc. vorgehen wollen, raten einige dazu, Entwicklerstudios massenhaft mit Nachrichten zu bombardieren, die mit Sweet Baby zusammenarbeiten. Andere wünschen sich zuallererst sichtbare Galionsfiguren, die ihre Ziele irgendwie vereinen können.
Ein Moderator muss daran erinnern, dass Hitler kein Meme sei und man der Gegenseite doch nicht unnötig Munition zum Diskreditieren liefern solle, nachdem zuvor ein paarmal zu häufig der Nationalsozialismus relativiert wurde. »Mal ernsthaft, wenn Deutschland gewonnen hätte, wäre Europa nicht in dem jetzigen Zustand«, schrieb beispielsweise ein Account. Zwei Tage später droht Discord damit, den Server zu bannen.
Dieses Schicksal entgeht die Gruppe, sie löschen einige Chat-Kanäle und damit viele der volksverhetzenden Inhalte. Um den Hass dennoch zu dokumentieren, finden sich in diesem Text einige Screenshots der gelöschten Konversationen auf Discord.
Was nun aber mit der angestauten Wut auf Sweet Baby Inc. passieren soll, ist für den Moment offen. Die Taktiken und Beschwerden der Sweet-Baby-Boykotteure folgt dabei aber einem etablierten Muster. Schon in der Vergangenheit riefen Bestrebungen der Branche, Produkte diverser und inkludierender zu gestalten, auf teils lautstarken Protest.
Am bekanntesten ist die sogenannte GamerGate-Kontroverse von 2014, die unter dem Vorwand einer allgemein formulierten Kritik an der Videospielpresse vor allem Frauen und Nicht-Weiße-Personen massiv bedrohte und belästigte.
Zehn Jahre später gibt es nicht wegzudiskutierende Parallelen, auch wenn die Auswirkungen und der genaue Umfang der Kampagne aktuell noch schwer einzuschätzen sind. In den letzten Tagen hat GameStar sowohl mit Experten als auch Betroffenen gesprochen, um den Kern der Kontroverse auf den Grund zu gehen.
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Als Firma ist Sweet Baby Inc. bei weitem nichts Außergewöhnliches. Für kleine bis große Entwicklerstudios gehört es zum Tagesgeschäft, gewisse Dienstleistungen auf externe Unternehmen auszulagern, wenn sie selbst nicht über die nötige Expertise verfügen oder aber zusätzliche Hilfe benötigen.
Bei Sweet Baby Inc. konzentriert sich das Handwerk auf die narrative Ebene. Hat sich ein Entwicklerstudio dazu entschieden, dass eine wichtige Nebenfigur beispielsweise aus der Türkei kommt? Dann prüft Sweet Baby Inc., ob die geschriebenen Dialoge zu einer türkischstämmigen Figur passen und unterbreitet gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge.