Wann ist eine Lüge eine Lüge? Muss sie im Wissen ausgesprochen werden, dass ihr Inhalt nicht der Wahrheit entspricht? Was ist, wenn sich der Urheber selbst von der eigenen Lüge überzeugt hat, mit ihr fast verschmolzen ist?
Bei The Day Before wurde viel gelogen. Es gab keine Open World, keine opulente Grafik und auch kein Entwicklerteam, das begeistert die Vision der Unternehmensgründer umzusetzen vermochte. Selbst einige der kruden Motivationszitate, die im Ladebildschirm des Spiels auftauchten, entstammten einer sehr groben Definition von Wahrheit.
Es sind Sprüche wie »Wer weiß, dass das Leben fließt, spürt keinen Verschleiß und braucht keine Ausbesserung oder Reparaturen«. Es sind Zitate, die häufig in sozialen Medien geteilt und gerne Buddha zugeordnet werden. Tatsächlich basieren die genannten Zitate Nachforschungen des buddhistischen Lehrers Bodhipaksa zufolge auf fehlerhaften Übersetzungen oder sind einfach eine Erfindung der Werbeindustrie.
Die falschen Sprüche erfreuen sich trotzdem großer Beliebtheit, weil echte Weisheiten des indischen Religionsstifters nicht so blumig und prägnant formuliert sind, um auf eine Zitatkachel gepresst zu werden. Und warum nicht ein bisschen nachhelfen, wenn die scheinbaren Zitate so beliebt sind?
Kooperation mit Game Two
Für die Recherche zur Entwicklungsgeschichte von The Day Before hat GameStar mit der Redaktion von Game Two zusammengearbeitet. Auf dem YouTube-Kanal von Game Two findet ein Video, das die Informationen und Einblicke, die wir erhielten, nochmal mit anderen Schwerpunkten zusammenfasst:
Link zum YouTube-Inhalt
Darüber hinaus wird unser Freund des Hauses Maurice Weber auf seinem YouTube-Kanal genauer auf die Recherchen eingehen und am Freitag einen Twitch-Talk mit Sebastian Tyzak von Game Two und Report-Autor Martin Dietrich livestreamen.
The Day Before polierte die Wahrheit ebenfalls so lange, bis sie blendete. Die anfänglichen Versprechungen, die die Trailer hinausposaunten, standen im starken Kontrast zu dem am 7. Dezember 2023 veröffentlichten Produkt, das technisch wie inhaltlich eine fast beispiellose Bruchlandung hinlegte und das vorläufige Ende des Entwicklerstudios Fntastic besiegelte.
Wie eine gemeinsame Recherche von Game Two und GameStar ergab, deutete sich hinter den Kulissen der Absturz schon fast die gesamte Entwicklungszeit über an. In den vergangenen Wochen sprachen wir mit 16 ehemaligen Mitarbeitenden von Fntastic und sieben Angestellten des Publishers Mytona, werteten interne Chat-Nachrichten aus und rekonstruierten, wie die Entwicklung in Russland ihren Anfang nahm.
Die Aussagen der Beteiligten zeichnen ein Bild einer überforderten, fast grenzenlos ambitionierten Führungsriege, die ihr unerfahrenes Team ziellos an den Rand des körperlich Machbaren steuerte. »In der letzten Woche vor der Veröffentlichung haben wir sechs Stunden geschlafen, den Rest der Zeit haben wir gearbeitet und das Spiel getestet. Aus Dankbarkeit wurden wir gefeuert«, sagt ein Entwickler. Wie alle Quellen bat die Person um Anonymität, weil sie nicht autorisiert war, um über interne Vorgänge zu sprechen.
Die Gespräche decken sich zum Teil mit älteren Recherchen anderer Medien wie dem belarussischen YouTube-Kanal »iXBT Games«. Mytona und Fntastic selbst schweigen zu den Aussagen und Vorwürfen, mit denen sie Game Two und GameStar vorab konfrontierte. Dafür veröffentlichte Fntastic am 24. Januar ein (mittlerweile gelöschtes) Statement über X (vormals Twitter).
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