Diese Gaming-Tastatur setzt neue Maßstäbe in Sachen Qualität. Allerdings müssen Interessierte tiefer als für konventionelle Komplett-Tastaturen in die Tasche greifen.
Wir haben mehrere Wochen lang die Anvil Native 75%-Tastatur getestet und sind trotz des vergleichsweise hohen Preises (von aktuell 260 Euro) begeistert von dem Amboss für den Schreibtisch.
Amboss für den Schreibtisch
Mir stand für meinen Test das schwarze Grundmodell mit FR-4 Mounting Plate und Gateron G Pro 2.0 Yellow Switches zur Verfügung. Wahlweise können auch andere Switches und eine PC (Polycarbonat) Mounting Plate gewählt werden (s. Technische Daten).
Hier klicken / tippen zum Aufklappen
- Basisplatte: Aluminium (aus einem Stück gefräst), in Rot, Schwarz und Silber verfügbar
- Layout: 75%, ISO DE oder ANSI DE
- Abmessungen: ca. 32 x 13 x 3,5 cm (Gehäuse ohne Tasten, je am weitesten Punkt gemessen)
- Gewicht: ca. 1,7 Kilogramm (insgesamt)
- Mounting Plate: Wahlweise FR-4 oder gegen Aufpreis von 25 € PC (Polycarbonat)
- Mounting: Tray-Gasket
- Beleuchtung: Per Key RGB
- Hot-Swap: Ja, Werkzeug und ein paar Wechselkeys liegen bei
- Keycaps: PBT (Dye-Sub)
- Switches: Gateron, vorgeschmiert (wahlweise G PRO 2.0 Yellow, G PRO 2.0 Blue, G PRO 2.0 Brown oder gegen Aufpreis von 19 € G PRO 2.0 Speed Silver)
- Stabilizer: Durock V2 (gefettet)
- Software: Open Source (QMK: VIA und REMAP kompatibel)
- Übertragung: USB-C-Kabel, gerollt, derb ummantelt
Das edle Stück wird in einer ansehnlichen Dose geliefert, eingelassen in ein Schaumbett, das diese komplett ausfüllt. Kaum die Dose aus dem Umkarton gezogen, überlege ich auch schon, ob sich darin wirklich eine lütte 75-Prozent-Tastatur befindet, oder doch eher ein Ziegelstein.
Gamer, die bereits in der Custom-Tastatur-Welt unterwegs sind, finden es womöglich weniger ungewöhnlich, für Käufer von klassischen Kompletttastaturen etablierter Hersteller ist es aber ein ziemlicher Hammer: Die Anvil Native 75% wiegt trotz des knappen Formats fast 1,7 Kilogramm. Das liegt an der aus einem Stück gefrästen Basisplatte aus Aluminium – ein echtes Highlight.
Das schwarze Coiled-USB-C-Kabel ist ebenso robust wie der Rest und erinnert durch das aufgerollte Segment an ein altes Telefonkabel. Es ist sehr interessant ummantelt, vermutlich mit einem sehr starken Nylon, das sich jedoch ein wenig wie ein Metallgeflecht anfühlt. Das sieht nicht nur hübsch aus, sondern lässt sich auch gut auf dem Schreibtisch drapieren und ist typisch für Custom-Keyboards.
Jeder Fleck an dieser Tastatur ist sauber und dicht verarbeitet. Nichts klappert oder wirkt zerbrechlich. Im Gegenteil sollte man sich eher Gedanken machen, dass das Board beim Herumhantieren niemandem auf den Fuß fällt, denn das kann echt richtig böse enden. Einmal versehentlich mit der Tastaturkante auf den Holztisch geknallt, zeigt sich der Amboss vollkommen unbeeindruckt, im Tisch jedoch verbleibt eine markante Kerbe.
Wie tippt es sich?
Dank vorgeschmierten und schallgedämpften Switches ist das Tippen mit dem Anvil Native 75% Board äußerst geschmeidig und leise. Der zarte, weiche Klang ist eher hell, aber nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Wer einen tieferen Tastenton bevorzugt, kann anstelle der FR-4-Variante auch zur etwas teureren Polycarbonat-Mounting-Plate greifen. Im Shop gibt es übrigens auch Klangbeispiele für alle verfügbaren Schalter.
Damit sich auch die größeren Tasten gleichmäßig anfühlen und nicht rattern, wurden vorgefettete Durock Stabilisatoren verbaut, die einen ausgezeichneten Job machen. Kein Rattle, nichts. Positiv stach auch hervor, dass wir beim Tippen weder Scratches (nein, ich spiele nicht schon wieder Alan Wake 2), noch Pings hören. Das dürfte vor allem an der Leiterplatte, auch PCB (Printed Circuit Board) genannt, liegen, die nicht wie meist üblich Gasket-Mounted montiert ist, sondern Tray-Gasket. Diese sind unter den Tasten verschraubt, anstatt seitlich davon.
Sogenannte Scratches entstehen innerhalb der Schalter, wenn diese mechanisch auslösen, also durch physischen Kontakt, und nicht sehr hochwertig sind. Auch hier konnten wir im Test nichts dergleichen hören. Um den Klang und das Tippgefühl weiter zu optimieren, wurde im Gehäuse sowie zwischen Leiterplatte und Mounting Plate außerdem je eine Lage Schaumstoff integriert. Das spürt und hört man beim Schreiben mit dem Board wunderbar. Hier ist alles dicht an dicht und gedämmt, so dass sich kein unerwünschter Schall ausbreiten kann.
Was ich ändern würde
Mir wären ein etwas niedrigerer Tastenwiderstand und rauere Keycaps etwas lieber. Beides könnte ich natürlich auch einfach durch andere austauschen aber das kostet zusätzlich. Vermutlich würde ich zu derben Pudding-Keycaps greifen, um etwas mehr aus der Beleuchtung herauszukitzeln, denn die mitgelieferten Tastenkappen sind mehr oder weniger undurchsichtig, weshalb das Licht nur um diese herum strahlt.
Selbstverständlich habe ich die Caps während des Test auch mal durch Doubleshot PBT ausgetauscht. Dabei stellte ich fest, dass ein Großteil der LEDs »southfaced«, also nach unten gerichtet, unter den Switches verbaut ist. Lediglich die F-Reihe ist northfaced. Bei vielen Keycaps befinden sich die transparenten Buchstaben aber eher oben und werden bei einer southfaced LED somit nicht durchleuchtet.
Für viele sind ausladende RGB-Beleuchtungen an Gaming-Hardware reine Spielerei und zum Teil stimme ich zu. Aber abgesehen davon, dass ich ein sanftes Gaming-Ambiente mit der entsprechenden Beleuchtung optisch ansprechend finde, sitze ich auch oft bis spät nachts am Schreibtisch. Daher ist das Tastaturlicht auch aus praktischen Gründen von Belang für mich. Glücklicherweise ist zumindest die Beschriftung der weißen Kappen aber auch bei schlechtem Raumlicht deutlich lesbar.
Ich schreibe zwar überwiegend ohne hinsehen zu müssen, dennoch guckt man ja aber ganz gerne mal runter, um sich abzusichern, dass man richtig ist. Insbesondere bei 75%-Tastaturen, wo an Zwischenräumen und anderen Unterscheidungsoptionen für die einzelnen Tastenbereiche gespart wird, ist es schön, alles zu jederzeit lesen zu können.
So oder so würde ich die Keycaps auf lange Sicht höchstwahrscheinlich ersetzen. In erster Linie, weil sie mir zu glatt sind. Das passt zwar hervorragend zum flüssigen, butterweichen Schreibgefühl (im Sinne von smooth, nicht schwammig oder so), aber ich persönlich brauche da dennoch mehr Griffigkeit.
Spielend leichter Service
Das Anvil-Team besteht aus nicht einmal einer Handvoll Menschen, die sich im nordrhein-westfälischen Porta Westfalica zusammengetan haben, um »das Board für euch zu entwickeln, das wir vor 2 Jahren haben wollten und nirgendwo gefunden haben«. Ihnen ist die Nähe zu ihrer Kundschaft wichtig, weshalb sie einen ganz besonderen Service bieten.
Über ein Online-Formular kann ein persönlicher Beratungstermin vereinbart werden. Dieser findet dann im virtuellen Anvil Store bei Gather Town statt. Das Treffen kann eine reine Konsultation bezüglich des Produkts, oder aber auf Wunsch auch den Vorführzusammenbau einer, oder sogar der eigenen bestellten Tastatur beeinhalten. Wer sich das Anvil Native Bord zum selber basteln geordert hat, kann diesen Termin jedoch auch nutzen, um selbst Hand anzulegen und sich im Videochat fachkundig anleiten lassen.
Ein Kundenservice der flexibel ist, auf eure Wünsche eingeht und seinesgleichen sucht. Wer möchte, kann stattdessen aber auch einfach eine E-Mail schicken.
Wem könnte die Anvil Native 75% gefallen?
Die Anvil Native 75% ist eine ziemlich spezielle Tastatur mit recht hohem Preis. Für Custom-Fans jedoch ist dieses Keyboard unter Umständen sogar noch günstig, was es als Custom-Einsteiger-Board prädestiniert. Wir fassen zusammen, für wen dieses Meisterstück einen oder auch zwei Blicke wert ist.
- Custom-Einsteiger (aber auch Kenner!): Ihr wolltet schon immer die Qualität einer Custom-Tastatur, kennt euch aber noch nicht so gut aus oder überlasst das Zusammenbauen lieber den Profis, die euch gleichzeitig auch noch optimal beraten? Perfekt!
- Schreibtischhocker: Wer seine Tastatur nur am Schreibtisch benutzt und diese dort dauerhaft wie ein Fels in der Brandung unbeweglich verharren soll, wird mit dem schweren Amboss äußerst zufrieden sein. Leute, die auch gerne mal den Platz wechseln, das Schreibbrett mit ins Bett oder auf die Reise nehmen wollen, werden hingegen eher nicht glücklich mit dem Schwergewicht.
- Monogame: Wenn es nach euch geht, gebt ihr einmal etwas mehr Geld aus und habt dafür länger was davon? Außerdem tauscht ihr lieber bei Bedarf einzelne Komponenten, als die komplette Tastatur aus? Dann seid ihr hier richtig.
- Stille: Ihr mögt keine lauten mechanischen Tastaturen und versteht nicht, warum es nur so wenige leise Modelle auf dem Markt gibt? Die Töne, die die Tastatur von sich gibt, sollen aber dennoch klangvoll sein?
- Geschmeidige: Wer viel und flüssig schreiben will und keinen Nummernblock braucht, kann kaum eine bessere Wahl treffen. Bei der Anvil Native 75% ist das Tippen äußerst smooth.
- Anspruchsvolle: Ihr wollt Qualität ohne Kompromisse. Der Preis ist zweitrangig.
Fazit der Redaktion
Nele Wobker
@nerdynele.de
Ich will nicht lügen: Rein vom Tippgefühl und vom Klang her, zusammen mit der unfassbar krassen Basisplatte, liebe ich dieses Keyboard einfach. Es hat mich ein wenig für andere Tastaturen verdorben, glaube ich. Was aber absolut nicht heißt, dass ich andere schlecht finde. Das ist ein bisschen, als hätte man eine Dragon Age: Inquisition-Romanze erlebt und würde danach dann jemanden in GreedFall daten. Es ist schlichtweg nicht dasselbe.
Sowohl bei meinem Vergleich mit den beiden Spielen als auch bei Tastaturen, ist vieles davon eine Frage des Budgets – wie so oft. Für halb so viel Geld bekomme ich auch andere gute Gaming-Tastaturen, jedoch ggf. mit weniger smoothem Tippgefühl, geringerer Haltbarkeit und weniger Reparatur- und Austauschoptionen. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was ihm seine Gaming-Peripherie wert ist.
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